Sheriff, Grease und Basketball

10 Monate im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Du spielst mit dem Gedanken mal für ein Jahr etwas komplett Neues zu erleben? Einfach mal raus von Zuhause? Na, was zögerst du noch?

Die Möglichkeit, eine andere Kultur kennenzulernen und eine Sprache sprechen zu lernen, fand ich schon immer faszinierend. Relativ schnell war klar, dass ich für zehn Monate in die USA wollte! Meine Eltern und ich informierten uns also eine Weile und entschieden uns für die Organisation GIVE. Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Organisation zwar von der Vorbereitung und Betreuung während des Aufenthalts sehr zu empfehlen ist, aber ich sehr lange auf eine Gastfamilie warten musste. Das ging so weit, dass ich dachte, ich würde nicht mehr fliegen und nach den Sommerferien erst noch mal für zwei Wochen die CWS besuchte.

Nachdem ich dann endlich eine Familie hatte, ging alles ganz schnell. Mir blieben einige wenige Tage, mich von allen zu verabschieden und meine Koffer zu packen, und schon stand ich am Flughafen. Meine Freunde und Familie begleiteten mich natürlich. Der Abschied war der absolute Horror und jeder hat geweint. Das erschwerte die Sache ziemlich, deswegen bereite dich auf diesen Moment vor und bringe ihn schnellstmöglich hinter dich. Irgendwann musst du ja aufhören zu weinen, immerhin bist du kurz davor, deinen Traum zu leben, und du kannst nicht das ganze Jahr damit verbringen, deine Freunde in Deutschland zu vermissen.

Während des Fluges war ich so aufgeregt, dass ich kaum schlafen konnte. Und immerhin waren das neun Stunden nach Evansville, Indiana. Ich hätte mir eigentlich gar keine Sorgen machen müssen, denn meine Gastfamilie war einfach sehr nett und total herzlich. Mit meinen Gastgeschwistern, Bailey (14) und Alex (16), verstand ich mich direkt super, auch wenn wir uns am Anfang natürlich noch etwas fremd waren. Ich war unbeschreiblich müde am ersten Tag, versuchte aber trotzdem lange aufzubleiben, damit ich mich gleich an die sieben Stunden Zeitunterschied gewöhnte.

Schon in den ersten Tage lernte ich viele Leute kennen, Verwandte und Freunde kamen vorbei, um mich zu begrüßen, und so fühlte ich mich sofort wohl. Vor meinem ersten Schultag war ich natürlich aufgeregt, was aber dann völlig unbegründet war, weil die Schule echt super war und mich alle nett aufgenommen haben. Die „Memorial High School“ ist eine katholische Schule mit 800 Schülern. Es gibt ein riesiges Angebot an Fächern und viele Aktivitäten und Clubs, an denen man nachmittags teilnehmen kann. Natürlich geht es nicht zu, wie in jedem amerikanischen Film dargestellt, aber einige Sachen wie zum Beispiel die „Locker“ werden dir gleich vertraut vorkommen. Schnell habe ich die Freunde meiner Gastgeschwister kennengelernt und mich mit allen gut verstanden. Jeder auf der Schule wird ungefähr wissen, wer du bist, und dich mit Fragen über Deutschland löchern, sodass du direkt viel reden und du dich schnell ans Englische gewöhnen wirst.

Mit meiner Gastfamilie in Florida
Mit meiner Gastfamilie in Florida

Die ersten Monate verliefen richtig gut, wobei das die Zeit ist, in der man sich schon ein bisschen bemühen sollte, dass aus Bekanntschaften Freunde werden und man sich richtig eingliedert. Wenn du offen bist und auf Leute zugehen kannst, ist das aber kein Problem. Außerdem solltest du vermeiden, zu viel Kontakt nach Deutschland zu haben. Das klingt vielleicht erst mal etwas komisch, aber du wirst merken, dass du nicht zwei Leben gleichzeitig leben kannst. Es kostet zu viel Zeit andauernd mit allen deinen Freunden zu skypen und du bekommst nur unnötig Heimweh. Es ist aber selbstverständlich, dass du mit deinem engen Freundeskreis und natürlich mit deiner Familie skypst.

Total zu empfehlen ist es, sich einem Schulteam anzuschließen. Ich habe Basketball gespielt und wurde sogar ins Team aufgenommen, obwohl ich noch nie zuvor gespielt hatte. Die Saison geht pro Sport ungefähr drei Monate und man hat fünf bis sechsmal die Woche Training. Das klingt sehr viel, man gewöhnt sich aber daran und lernt so viele Leute kennen. Danach die Saison habe ich Leichtathletik gemacht und auch hier war es unglaublich toll, Teil eines Teams zu sein und die Schule auf Wettkämpfen zu vertreten. Parallel zu Leichtathletik habe ich mich auch für das Musical „Grease“ an unserer Schule beworben. Das war wirklich eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Die Proben und später die Aufführungen haben irre Spaß gemacht und man ist als Crew unglaublich zusammengewachsen. Da ich unter anderem auch als Unterrichtsfach Chor und Theater belegte, hat das gut gepasst.

Basketball Freshman Team
Basketball Freshman Team

Mein Verhältnis zur Gastfamilie ist so gut geworden, dass ich mich wirklich wie zu Hause gefühlt habe. Ich wurde behandelt wie eine zweite Tochter, und es war super lustig, dass ich sogar aussah, als ob ich in diese Familie gehörte. So wurde ich öfter mal für Bailey gehalten.

Ansonsten hatte ich die Möglichkeit, viel Neues auszuprobieren in den zehn Monaten. Da mein Gastvater Sheriff ist, hatten wir viele Waffen im Haus, und ich durfte öfters mal auf unserer Farm im Nachbarort schießen. Meine Gastgroßeltern haben mich ab und zum Angeln und Quat-Fahren mitgenommen. Die Familie war insgesamt riesengroß und ich hatte unzählbar viele Gast-Cousins- und -Cousinen. Auf der Farm hatten wir mehrmals im Jahr Feiern und Feste mit der ganzen Familie. Das war mit einer der besten Zeiten während des Auslandsjahres.

Während des Aufenthalts war ich in Chicago, Washington und während der Springbreak in Florida! Das war „awesome“, wie die Amerikaner sagen würden. Aber wenn du mit deiner Gastfamilie nicht verreist, dann sei nicht traurig. Du darfst das nicht erwarten, sondern musst dir vor Augen führen, was die Familie schon alles für dich tut. Schließlich bekommen die meisten Familien kein Geld, wenn sie dich aufnehmen.

Christmas Dance
Christmas Dance

Genau so, wie der Abschied damals in Deutschland schwer war, wurde er dann auch in den USA. Auf meiner Abschiedsparty verabschiedete ich mich von allen, und ein paar von meinen Freunden begleiteten mich auch noch zum Flughafen. Ja, und dann saß ich auch schon wieder im Flugzeug und es ging ab nach Hause.

Kaum wieder in Deutschland, warteten Familie und Freunde auf mich. Obwohl ich mich schon nach einigen Tagen so fühlte, als wäre ich gar nicht lange weg gewesen, dauert es schon ein paar Wochen, sich wieder richtig einzuleben und sich an alle zu gewöhnen.

Grundsätzlich würde ich sagen, für zehn Monate in die USA zu gehen war die beste Entscheidung meines Lebens. Trotz Probleme und Heimweh, die einfach dazu gehören, habe ich so viel aus jeder Situation gelernt und tolle Erfahrungen gesammelt. Also, ich kann dir ein Auslandsjahr nur empfehlen, es lohnt sich sehr. Mach dir nicht zu viele Gedanken, dass du in Deutschland irgendwas verpasst. Und wenn du G8 machst, so wie ich, dann ist das auch kein Problem, denn du kannst danach, bei durchschnittlichen Vornoten, weiter in die Q gehen. Allerdings würde ich empfehlen, die Sommerschule, die in der ARS für zwei Wochen während der Sommerferien angeboten wird, zu besuchen. Dort kannst du vor allem Mathe und die Naturwissenschaften nachholen. Wenn du dich unsicher fühlst, ist es kein Problem in die E zu gehen, denn das Auslandsjahr ist viel ausschlaggebender, als ein Jahr in der Schule zu wiederholen.

 

Mirijam Schaaf (Q1, September 2011)